MERS by Compton D.G

MERS by Compton D.G

Autor:Compton, D.G. [D.G., Compton,]
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-08T16:14:06.468000+00:00


Der Bevölkerungsrückgang

Jahr 25: Mitte August

8

»Ein prächtiger weiblicher Embryo, vier oder fünf Wochen alt, und sitzt fest.« Dr Vrieland blickte sie über die Ränder seiner Brillengläser hinweg an. »Sie sind schwanger, Harriet Ryder.«

»Das habe ich mir gedacht.« Sein mit Parkett ausgelegtes Büro im städtischen Krankenhaus war winzig: der Stuhl vor seinem Schreibtisch stand quer, um Platz für die Knie seiner Patienten zu schaffen. »Das ist wundervoll.«

Er lächelte. »Noch mal, meine Liebe, diesmal mit Gefühl.«

»Nein – es ist wirklich wundervoll.« Es war wundervoll. Seit Jahren hatte sie von Karl ein Baby haben wollen, und jetzt hatte es geklappt. »Es ist nur so, daß…«

»Es ist nur so, daß Sie einundzwanzig Jahre alt sind, Ihr Studium beenden müssen und daß ein wichtiger Job auf Sie wartet, und Sie glauben, der betreffende Mann ist nicht interessiert.«

»Sie haben eine Menge mitbekommen.«

Dr. Vrieland zuckte die Achseln. »Vielleicht ist er verheiratet. Vielleicht unterhält er eine Vielzahl von Familien und kann sich eine weitere nicht leisten. Vielleicht ist er ein widerlicher Mann, der Kinder zu sehr mag. Vielleicht hat er Sie vergessen. Vielleicht hat er Sie nie gekannt. Vielleicht…«

Sie lachte. Welcher davon war Karl? »Ich möchte keinen Abbruch, Doktor.«

»Meine liebe Harriet, daran habe ich auch nie geglaubt.«

»Ich habe Karl einmal geliebt, und ich möchte seine Tochter.«

»Und wenn wir nicht abbrechen, werden Sie genau die in acht Monaten haben.«

Schweigen machten sich zwischen ihnen breit, grüblerisches Schweigen, das der Geschäftigkeit im Krankenhaus draußen Zutritt durch die dünnen Trennwände ließ. Sie spürte Dr. Vrielands Vorbehalte. Sie bemerkte ebenfalls, daß sie ihm gegenüber etwas zugegeben hatte, das sogar sich selbst gegenüber zuzugeben sie bisher vermieden hatte. Sie lebte mit Karl, hatte ungeschützten Sex mit ihm, aber sie liebte ihn nicht mehr.

Wie sie Dr. Vrieland kannte, sowie die Welt nach fünfundzwanzig Jahren Bevölkerungsrückgang, wäre diese Tatsache nicht Teil seiner Vorbehalte.

»Ich habe meinen Stationsdienst erledigt, Doktor. Und den Dienst in der Gynäkologie. Es sind nur noch ein paar Monate bis zum Examen.«

»Allerdings, ja. Und in der kürzesten Zeit, die je ein Student in der Geschichte dieses Krankenhauses dazu benötigt hat.«

»Sie meinen, ich sollte dieses Kind nicht haben.«

»Ich meine, Sie sollten sich das sehr sorgfältig überlegen. Ich meine, Sie sollten daran denken, daß echte vorzügliche Leistung nicht teilbar ist.«

»Sie wollen sagen, daß meine Arbeit darunter leiden wird.«

»Nein, Harriet. Ich will damit sagen, daß Ihre Tochter darunter leiden wird.« Er gestattete sich eine lange Pause, während derer er den Blick auf sie gerichtet hielt. »Leiden ist ein großes Wort. Sie sind eine gesunde Frau, Sie werden eine gesunde Tochter haben, und Sie werden gut für sie sorgen. Ich will damit sagen, daß es im Falle eines Konfliktes zwischen Ihrer Arbeit und Ihrer Tochter nur ein mögliches Ergebnis geben wird.«

Jäh erhob sie sich. »Dann werde ich einfach sicherstellen müssen, daß es keine Konflikte gibt, nicht wahr?«

Hannes Vrieland war ein breitschultriger Mann mit Wuschelkopf, etwas über vierzig Jahre und nicht im geringsten alt. Er hatte große Hände und eine sanfte, väterliche Art, die sie unwiderstehlich fand. Sie sah, daß sie ihn verletzt hatte. Er hatte ihr eine unwillkommene Wahrheit gesagt, und sie war schnippisch geworden.



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